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Alleingänge ausgeschlossen

Frieden durch Zusammenarbeit – Deutschland setzt auf internationale Lösungen. Warum der Multilateralismus für die Bundesregierung so zentral ist. 

Friederike Bauer , 27.06.2025
Stimmabgabe in der VN-Generalversammlung
Stimmabgabe in der VN-Generalversammlung © picture alliance / Xinhua News Agency

Was versteht die Bundesregierung unter Multilateralismus?   

Deutschland versteht darunter ein weltumspannendes System, das für alle Länder gleichermaßen gilt. Die Idee dahinter: Nur wenn sich alle an dieselben Spielregeln halten, lassen sich Katastrophen wie der Zweite Weltkrieg verhindern und neue Herausforderungen bewältigen. Dieses universelle System basiert auf Werten, die das Gerüst der internationalen Ordnung bilden. Die Vereinten Nationen (UN) fungieren als Hüter dieser Werte und Normen. Beim Multilateralismus geht es um ein konstantes und friedliches Aushandeln von Interessen zwischen den Staaten und um die Suche nach den besten Lösungen.  

Welche Bedeutung haben die UN in der deutschen Außenpolitik? 

Die Einbindung in die UN mit ihrem Anspruch einer regelbasierten Weltordnung ist für die deutsche Außenpolitik prägend. Deutschland setzt sich seit seinem Beitritt zu den UN 1973 für die Einhaltung und Fortentwicklung des Völkerrechts ein, weil aus Sicht der Bundesregierung nur eine völkerrechtlich orientierte Politik die globalen Herausforderungen bewältigen kann. Das gilt besonders für die derzeitigen Konflikte und Krisen, die vom Nahen Osten über die Ukraine bis hin zu Klimawandel und Artenverlust reichen.  

Warum misst Deutschland den UN einen so großen Wert bei? 

Weil sich dort alle Staaten der Welt begegnen und Lösungen für gemeinsame Probleme finden können. Zwar haben die 15 Mitglieder des Sicherheitsrats besondere Rechte, die fünf ständigen Mitglieder sogar ein Veto-Recht, aber in der Generalversammlung hat jedes Land eine Stimme. Dadurch schaffen die UN ein einzigartiges Forum, auf dem die meisten Staaten der Welt vertreten sind.  

Hat die Betonung des Multilateralismus auch mit der Geschichte Deutschlands zu tun? 

Deutschland hat sich als Verursacher des Zweiten Weltkriegs darauf festgelegt, nie wieder Alleingänge zu unternehmen, sondern außenpolitisch stets in Abstimmung mit anderen Staaten zu handeln. Daraus entstand das entschiedene Eintreten für die europäische Idee, aber auch die starke Unterstützung für die UN. Deshalb hat zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht 1994 in einem Grundsatzurteil festgelegt, dass sich Deutschland zwar an Auslandseinsätzen beteiligen darf, aber nur im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme, also zum Beispiel innerhalb der UN oder der NATO

Wir, die Völker der Vereinten Nationen, [sind] fest entschlossen, […] unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit […] erneut zu bekräftigen.
Aus der VN-Charta von 1945

Warum sind in diesem Zusammenhang die Menschenrechte wichtig? 

Die Menschenrechte sind essenzieller Teil des Wertegerüsts der UN und haben universelle Geltung. Sie sind nicht verhandelbar und bilden die Basis für alle weiteren Aktivitäten im Rahmen der UN. Schon in der UN-Charta aus dem Jahr 1945 gaben die Menschenrechte das Ziel und Prinzip der internationalen Ordnung vor. Näheres wurde 1948 in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ mit ihren 30 Artikeln festgelegt. Die Inhalte wurden über Jahrzehnte in diversen Konventionen weiter ausformuliert und bilden zum Beispiel auch die Basis für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, dessen Gründung Deutschland maßgeblich vorangetrieben hat.  

Wie steht Deutschland zum Gewaltmonopol der UN?  

Der UN-Charta zufolge liegt das Gewaltmonopol beim UN-Sicherheitsrat. Er kann bei Bedrohung oder Bruch des Friedens militärische Maßnahmen beschließen. Zwar ist Selbstverteidigung erlaubt, aber nur bis der Sicherheitsrat tätig ist. Deutschland unterstützt dieses Gewaltmonopol ausdrücklich und erkennt es als zentrale Grundlage der internationalen Friedens- und Sicherheitsordnung an. Allerdings spiegelt der Sicherheitsrat nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr die aktuellen Machtverhältnisse der Welt wider und sollte deshalb reformiert werden. 

Welche anderen multilateralen Organisationen sind für Deutschland von Belang? 

Die Bundesregierung hat ihre Außenpolitik in ein dichtes Netz internationaler Organisationen eingebettet. Dazu gehört an vorderster Stelle die Europäische Union, die weit mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft ist; sie gilt auch als Friedensprojekt und als potenzielles Kraftzentrum in einer zunehmend multipolaren Welt. Mit der NATO hat sich Deutschland in ein Verteidigungsbündnis eingefügt, das in der jüngeren Vergangenheit wieder an Bedeutung gewonnen hat. Darüber hinaus ist Deutschland Mitglied in diversen Organisationen wie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), IRENA (Internationale Renewable Energy Agency) oder IUCN (International Union for Conservation of Nature). Insgesamt 120 multilateralen Organisationen gehört die Bundesrepublik an.  

Derzeit wird das multilaterale System von unterschiedlicher Seite herausfordert. Wie steht Deutschland dazu? 

Deutschland plädiert entschieden für die Herrschaft des Rechts statt für das Recht des Stärkeren. Die Bundesregierung hält die UN und das multilaterale System für unverzichtbar und wird sich weiterhin dafür einsetzen. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD heißt es dazu: „Wir wollen multilaterale Strukturen stärken. Die Vereinten Nationen bleiben das Rückgrat der regelbasierten internationalen Ordnung.“

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